Die Energiewende resilient gestalten
Für den Ausbau von Windkraft und Solarenergie sowie für die Herstellung von Batterien, Elektromotoren und Brennstoffzellen sind Rohstoffe notwendig, die importiert werden müssen. Krisen in den vergangenen Jahren haben die Gefahr verdeutlicht, dass die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten und sensible Lieferketten die Energiewende verzögern können.
Eine aktuelle Studie im Auftrag der Wissenschaftsplattform Klimaschutz – „Resilienz der Langfriststrategie Deutschlands zum Klimaschutz“ – untersucht, welche Risiken für den Transformationsprozess Deutschlands hin zur Klimaneutralität aus Importen von kritischen Rohstoffen und Energieträgern resultieren. Um den Transformationsprozess krisenfest zu machen, sollten Ersatzstoffe gefunden, Recycling ermöglicht und vorangetrieben, neue Lieferquellen erschlossen sowie Lager für kritische Rohstoffe aufgebaut werden. Die jetzt veröffentlichte Studie gibt einen Überblick darüber, welche Maßnahmen für welche Rohstoffe ergriffen werden sollten um die Energiewende krisenfest zu machen.
„Wir sollten aus der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg die richtigen Schlüsse ziehen. Diversifizierung, Kreislaufwirtschaft und internationale Kooperation sind Schlüsselelemente einer resilienten Rohstoffversorgung“, sagt Karen Pittel, Mitglied des Lenkungskreises der Wissenschaftsplattform Klimaschutz. Geopolitische Abhängigkeiten oder sensible Transportwege können die Energiewende in Deutschland hin zur Klimaneutralität gefährden. „Die Gefahr von Rohstoff- und Energiehandelsstreitigkeiten, in denen der wirtschaftlich Stärkere seine Interessen durchsetzt nimmt zu und wird auch in Zukunft den Transformationsprozess gefährden“, beschreibt Sabine Schlacke, Co-Vorsitzende des Lenkungskreises der Wissenschaftsplattform Klimaschutz, das Problem.
In der Studie „Resilienz der Langfriststrategie Deutschlands zum Klimaschutz“ wird vor dem Hintergrund multipler Krisen die Versorgung Deutschlands mit den Rohstoffen untersucht, die für Windkraft, Solarenergie, Batterien, Elektromotoren und Brennstoffzellen notwendig sind. Besonders kritisch ist der Studie nach die Versorgung mit den Platingruppenmetallen sowie Bor. Kritisch ist außerdem die Versorgung mit Seltenen Erden, Graphit, Gallium, Germanium, Indium, Kobalt, Lithium, Magnesium, Niob, Strontium und Titan. Eher geringe Risiken scheinen gegenwärtig bei Fluor und Silizium zu bestehen. Allerdings geht es nicht nur um Abhängigkeiten von Rohstofflieferungen, „Auch viele Vor- und Endprodukte, die für Energietechnologien benötigt werden, werden zunehmend in wenigen Ländern hergestellt und nach Deutschland exportiert. Hier sind wir etwa bei den für Photovoltaikanlagen benötigten Wafern zu mehr als 95% von einem Land abhängig“, so Ortwin Renn, Mitglied des Lenkungskreises der Wissenschaftsplattform Klimaschutz. Die Resilienz des Transformationsprozesses hin zur Klimaneutralität kann auf ganz unterschiedlichen Wegen gestärkt werden – mehr Forschung und intensivere Rohstoffdiplomatie sind nur zwei Maßnahmen zielgerichteter Wirtschaftspolitik. Zu diesem Ergebnis kamen die Autorinnen und Autoren der Studie aufgrund einer Datenanalyse, Stakeholderinterviews und eines Rechtsgutachtens.
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Platin und Bor – Informationsbasis verbessern, EU-weites Ampelsystem einführen
Der Bezug von Platingruppenmetallen und Bor ist besonders kritisch, weil die derzeit bekannten Vorkommen hauptsächlich in Südafrika und Russland sind. Lagerstätten innerhalb Europas sind nicht bekannt. Lieferausfälle könnten weder kurz- noch langfristig in nennenswertem Umfang durch Importe aus anderen Ländern ausgeglichen werden. Die Potenziale für eine Importsubstitution sind also sehr begrenzt. Die Recyclingquoten sind – insbesondere bei den Platingruppenmetallen – bereits sehr hoch. Die Möglichkeiten diese Rohstoffe durch andere Materialien zu ersetzen, sind nach gegenwärtigem Stand der Technik sehr begrenzt. „Wir müssen gerade bei den kritischen Rohstoffen dringend unsere Informationsbasis verbessern“, empfiehlt Pittel als kurzfristiges Ziel. Das Single Market Emergency Instrument soll genau dies erreichen. Es sieht Reportingpflichten der Unternehmen vor und gewährt der EU-Kommission Handlungsmöglichkeiten, sollte die Versorgung mit Waren und Dienstleistungen von strategischer Bedeutung krisenbedingt gestört werden. So könnte das Funktionieren des Binnenmarkts in Krisensituationen wie geopolitischen Instabilitäten oder Naturkatastrophen gewährleistet werden.
Resilienz als zentrales Gebot – Handelsverträge rechtssicher ermöglichen
Um die Versorgung mit ausreichenden Mengen der besonders kritischen Rohstoffe auf mittlere und lange Sicht sicherzustellen, sollte die EU Rohstofflieferanten mit langfristigen Lieferverträgen aktiv an sich binden. „Aktuelle gesetzliche Regelungen müssen daraufhin überprüft werden, ob und inwieweit sie der Diversifizierung von Importen entgegenstehen“, empfiehlt Schlacke. „Resilienz könnte zu einem Prinzip fortentwickelt werden, das etwa auch Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz Berücksichtigung finden sollte.“ Die EU könnte mit Negativ- und/oder Positivlisten Unternehmen bei der Auswahl ausländischer Vertragspartner unterstützen. Solche Listen können grundsätzlich dazu beitragen, heimischen Importeuren mehr Rechtssicherheit beim Umgang mit Zielkonflikten zwischen Versorgungssicherheit sowie sozial- und umweltpolitischen Zielen zu verschaffen.
Downloads:
- Studie: Resilienz der Langfriststrategie Deutschlands zum Klimaschutz | ifw Kiel Institut für Weltwirtschaft im Auftrag der WPKS
- Hintergrundpapier des Lenkungskreises der WPKS: Resilienz und Klimaschutz | WPKS