Lücken in der deutschen Klimapolitik

27.03.2023: WPKS übergibt Stellungnahme zu langfristiger Klimaschutzstrategie

Heute müssen die notwendigen Schritte eingeleitet werden, damit Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Doch aktuell existiert keine langfristige Strategie, wie die gesetzlich festgelegten Klimaziele erreicht werden sollen – das ist eine Leerstelle in der deutschen Klimapolitik. Welche Schritte genau unternommen und welche Fragen schnell beantwortet werden müssen, erläutert die Wissenschaftsplattform Klimaschutz (WPKS) in ihrer Stellungnahme „Lücken in der deutschen Klimapolitik – Herausforderungen für eine wirksame Langfriststrategie“. In der Stellungnahme identifizieren die Lenkungskreismitglieder der WPKS sechs Themenfelder, die mit der mittel- und langfristigen Klimapolitik bearbeitet werden müssen. Darüber hinaus unterbreiten sie Vorschläge für die wissenschaftliche Politikberatung.

„Im Klimaschutzgesetz sind Sektorziele zur Einsparung von CO2 vorgegeben. Es gibt aber keine langfristigen strategischen Überlegungen, wie wir diese Sektorziele bis zur Klimaneutralität 2045 erreichen wollen“, erläutert Professorin Dr. Sabine Schlacke, Co-Vorsitzende des Lenkungskreises der WPKS anlässlich der Übergabe der Stellungnahme „Lücken in der deutschen Klimapolitik“ an die Bundesregierung. „Die schnell aufgestellten Sofortprogramme einzelner Ministerien bei Verfehlen der jeweiligen Sektorziele haben nur eine kurzfristige Wirkung, benötigt wird ein langfristiger Transformationsplan zur Klimaneutralität“, so Schlacke weiter. Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka, stellvertretender Vorsitzender der WPKS ergänzt: „Es geht darum, klimarelevante Emissionen weltweit zu senken. Der dafür notwendige Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energieträgen muss so gestaltet werden, dass globale Krisen diesen Prozess nicht aufhalten. Vorausschauende politische Planung und Gesetzgebung sind dafür unerlässlich.“

Um diese Lücken in der deutschen Klimapolitik zu schließen, hat der Lenkungskreis der Wissenschaftsplattform Klimaschutz in seiner Stellungnahme konkrete Themen identifiziert, die für die mittel- und langfristige Klimapolitik relevant sind:

  • Sozial gerechter Klimaschutz und vorsorgende Sozialpolitik,
  • Akzeptanzsicherung durch Kommunikation und Partizipation,
  • Industriepolitik und internationale Kooperation,
  • nachhaltige Finanzwirtschaft für die Transformation,
  • zukunftsfähiges Klimarecht sowie
  • CO2-Entnahme aus der Atmosphäre.

Der wissenschaftliche Diskurs zu den genannten Themen muss thematisch offen und fachlich breit geführt werden.

Langfristige Planung schafft Vertrauen

Eine Grundlage für den Transformationsprozess hin zur Klimaneutralität ist Investitionssicherheit. Legislaturperioden sind allerdings deutlich kürzer als Investitionszeiträume. Daher können die im Klimaschutzgesetz festgelegten Klimaziele nur mit einer konsistenten Planung über Legislaturperioden hinweg erreicht werden. Doch die mittel- und langfristige Politikplanung ist derzeit ausgesetzt. Das Klimaschutzprogramm 2030 sowie der Klimaschutzplan 2050, die zur Einhaltung der 2030er- und 2045er-Ziele essenziell beitragen sollen, werden aktuell nicht fortgeschrieben. „Auf dem steinigen Weg in Richtung Klimaneutralität ist Deutschland gerade orientierungslos“, mahnt Schlacke. Die Folge sei ein drohender Vertrauensverlust von Wirtschaft, Verbänden und Zivilgesellschaft in die deutsche Klimapolitik.

Kombination von Resilienz und Klimaschutz – wirksame Anleitung zur Krisenbewältigung

Wie kann der zur Erreichung der Klimaziele notwendige Transformationsprozess auch in Zeiten globaler Krisen fortgeführt werden? Diese Frage wird in der Debatte zur Energieversorgung seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine verstärkt diskutiert. Hanselka betont: „Auch unter Stressbedingungen müssen die Klimaziele und andere Nachhaltigkeitsziele weiterverfolgt werden.“ Die Kombination von Resilienz und Klimaschutz bietet eine wirksame Anleitung zur Bewältigung globaler Krisen, die weit über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und den Krieg gegen die Ukraine hinausreichen. Nachhaltige Infrastrukturen, der Zugang zu nachhaltigen Dienstleistungen sowie die Beteiligung und Teilhabe der Bevölkerung sind dabei von entscheidender Bedeutung.

Verlässliche Rahmenbedingungen ermöglichen neue Technologien – das Beispiel CO2-Entnahme aus der Atmosphäre

Die gezielte Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre ist zur Einhaltung der Klimaziele unbedingt notwendig, darf aber keinesfalls die Anstrengungen zur Emissionsvermeidung schwächen. Um die Erforschung, die Entwicklung und den Ausbau von CO2-Entnahmeoptionen voranzutreiben, bedarf es klarer Gesetze und stabiler politischer Rahmenbedingungen. „Fragen rund um CO2-Entnahme und -Speicherung bergen gesellschaftliche und ökologische Konfliktpotentiale. Diese Fragen müssen wir lösen“, sagt Hanselka.

Wissenschaft und Politik – nur Hand-in-Hand gut aufgestellt

„Die Wissenschaft nimmt ihre Aufgabe an, die bestehenden Lücken zu schließen“, bekräftigt Schlacke. „Gemeinsam mit der Politik können Expertinnen und Experten unterschiedlicher Disziplinen den multiplen Herausforderungen des 1,5-Grad-Ziels begegnen und gemeinsam Lösungen finden.“ Dafür brauche es ein starkes Mandat für ein wissenschaftliches Politikberatungsgremium. Aktuell wird die Bundesregierung zum Thema Klimaschutz von mehreren Gremien beraten, wobei das Mandat für die Begleitung der strategischen und langfristig orientierten Klimapolitik unklar erscheint. Der Expertenrat für Klimafragen prüft die jährlichen Emissionsberichte und die Einhaltung der Sektorziele, gibt Stellungnahmen zu Klimaschutzprogramm und -plan sowie zu bisherigen Entwicklungen der Treibhausgasemissionen ab, während die Wissenschaftsplattform Klimaschutz bei der Fortschreibung des Klimaschutzplans und des Klimaschutzprogramms konsultiert werden soll. Es wäre sinnvoll, die Mandate zu konkretisieren und sie entweder klar voneinander abzugrenzen oder in einem neu aufgestellten, interdisziplinären Gremium zu bündeln.

 

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